Stell dir vor, wir sind in einer Geschäftsbesprechung. Der Chef sagt: „2022 haben wir einen Umsatz von 1 Million Euro“. Das klingt ernst, fast feierlich. Jetzt die andere Version: „Im Jahr 2021 hatten wir einen Umsatz von 1 Million Euro.“ Das klingt schneller, moderner, fast wie ein Tweet. Oder beim Klassentreffen: „2010 hatten wir alle noch Haare!“ Hier schwingt Nostalgie mit. „Im Jahr 2010 hatten wir alle noch Haare!“ Klingt, als wäre es gestern gewesen.
Was ist nun richtig? Im Deutschen sind wir es gewohnt, Jahreszahlen allein stehenzulassen oder mit „im Jahr(e)“ zu ergänzen. Das hat Stil, Tiefe und einen Hauch von Eleganz. Wichtig ist, dass die Botschaft verständlich ist! Stellen Sie sich einen Text voller Zahlen vor – da kann man schon mal ins Schleudern kommen. „Der Gewinn stieg von 3000 € im Jahr 2001 auf 4000 € im Jahr 2002.“ Klingt wie Monopoly. Der Zusatz „im Jahr(e)“ schafft Klarheit. Aber in Geschäftsberichten geht es meist mehr um Prägnanz als um Poesie.
Wohl deshalb hat sich der freche, moderne Neuling „in 2023“ seinen Platz im Sprachgebrauch erobert. Diese Art, mit Jahreszahlen umzugehen, ist ein direkter Import aus dem Englischen. Denn dort spricht man gerne von Jahren, um Ereignisse zeitlich einzuordnen. Sie ist präzise und platzsparend – ideal für Geschäftsberichte, Wirtschafts- und Werbesprache, wo es auf jedes Wort und die Kompaktheit der Information ankommt.
Klassisch deutsch oder lässig international?
Sie können selbst entscheiden, wie Sie kommunizieren möchten: klassisch deutsch oder lässig international.
Ich gebe zu: Ich mag die englische Variante der Jahreszahlen im Deutschen überhaupt nicht! Die Präposition „in“ vor einer Jahreszahl ist für mich ein lästiger Anglizismus, der für mich so unnatürlich klingt wie ein Dackel auf einem Surfbrett. Im geschäftlichen Kontext, vor allem in Powerpoint-Präsentationen, wo der Platz begrenzt ist, lasse ich es allerdings durchgehen – das ist für mich die einzige Ausnahme. Das Business-Lektorat hat in vielerlei Hinsicht seine eigenen Regeln. Aber sobald ich es in anderen Texten lese, zücke ich meinen virtuellen Rotstift und streiche es an. Schließlich bin ich ein Kind der Achtziger, einer Zeit, in der „in 1981“ eher nach einer Weltraummission als nach einem Geburtsjahr klang.
Das überzeugt Sie noch nicht? Schauen Sie gerne mal, was der Duden dazu sagt …
Fazit: Sprachen sind lebendig und entwickeln sich ständig weiter. Oft sind es die kleinen, unerwarteten Wendungen, die eine Sprache bereichern. „Im Jahr 2020“ mag für deutsche Ohren noch ungewohnt klingen, aber genau solche Nuancen machen die lebendige Vielfalt unserer Sprache aus.
Über die Autorin:
Anja Jefremow ist Diplom-Medienwirtin (FH), zertifizierte Lektorin (ADM) und Gründerin der Korrektureule. Seit über 20 Jahren schreibt, redigiert und optimiert sie mit fundierter Erfahrung in den Themenbereichen Marketing, PR und Kommunikation Texte für Unternehmen, Agenturen und Privatpersonen. Mit ihrem präzisen Blick für Details und ihrer kreativen Leidenschaft sorgt sie dafür, dass Texte nicht nur fehlerfrei sind, sondern auch zielsicher ankommen und wirken.
Mehr über Anja unter Die Korrektureule oder per Mail: info@korrektureule.de.