“in” vor Jahreszahlen – “in 2023” oder “im Jahr(e) 2023”?

Warum verwenden alle plötzlich "in" vor Jahreszahlen? © Thapana Onphalai / iStock
Warum verwenden alle plötzlich “in” vor Jahreszahlen? © Thapana Onphalai / iStock

Im Deutschen haben wir mittlerweile zwei Möglichkeiten, durch die Zeit zu navigieren: “Im Jahr 2023” – das klingt wie ein nobler Start in ein Tagebucheintrag, oder? “Liebes Tagebuch, im Jahr 2023 habe ich beschlossen, Quinoa-Salat zu mögen.” Sehr stilvoll, sehr deutsch. Dann gibt es da noch den englischsprachigen Cousin: “in 2023”. Klingt lockerer, fast so, als würde man eine Zeitmaschine starten: “In 2023 haben wir herausgefunden, dass fliegende Autos doch keine so gute Idee sind.” Plötzlich fühlt man sich wie in einem Science-Fiction-Film. Doch warum verwenden alle plötzlich “in” vor Jahreszahlen?

Die kleine Präposition vor einer Jahresangabe, wie in “in 2023”, öffnet die Tür in eine neue Welt der Zeitangaben. Aber wie passt das in die Struktur der deutschen Sprache, die für ihre Regeln und Traditionen bekannt ist? Laut Duden wird die englische Variante zwar gelegentlich in der Wirtschafts- und Werbesprache verwendet, “allerdings wird dieser Anglizismus nicht allgemein akzeptiert. Als standardsprachlich gilt die Jahreszahl ohne Präposition oder die Fügung im Jahre + Jahreszahl”.

“in” vor Jahreszahlen – ein paar Beispiele

Stell dir vor, wir sind in einer Geschäftsbesprechung. Der Chef sagt: “2022 haben wir einen Umsatz von 1 Million Euro”. Das klingt ernst, fast feierlich. Jetzt die andere Version: “Im Jahr 2021 hatten wir einen Umsatz von 1 Million Euro.” Das klingt schneller, moderner, fast wie ein Tweet. Oder beim Klassentreffen: “2010 hatten wir alle noch Haare!” Hier schwingt Nostalgie mit. “Im Jahr 2010 hatten wir alle noch Haare!” Klingt, als wäre es gestern gewesen.

Was ist nun richtig? Im Deutschen sind wir es gewohnt, Jahreszahlen allein stehen zu lassen oder mit “im Jahr(e)” zu ergänzen. Das hat Stil, Tiefe und einen Hauch von Eleganz. Wichtig ist, dass die Botschaft verständlich ist! Stellen Sie sich einen Text voller Zahlen vor – da kann man schon mal ins Schleudern kommen. “Der Gewinn stieg von 3000 € im Jahr 2001 auf 4000 € im Jahr 2002.” Klingt wie Monopoly. Der Zusatz “im Jahr(e)” schafft Klarheit. Aber in Geschäftsberichten geht es meist mehr um Prägnanz als um Poesie.

Wohl deshalb hat sich der freche, moderne Neuling „in 2023“ seinen Platz im Sprachgebrauch erobert. Diese Art, mit Jahreszahlen umzugehen, ist ein direkter Import aus dem Englischen. Denn dort spricht man gerne von Jahren, um Ereignisse zeitlich einzuordnen. Sie ist präzise und platzsparend – ideal für Geschäftsberichte, Wirtschafts- und Werbesprache, wo es auf jedes Wort und die Kompaktheit der Information ankommt.

Klassisch deutsch oder lässig international?

Sie können selbst entscheiden, wie Sie kommunizieren möchten: klassisch deutsch oder lässig international.

Ich gebe zu: Ich mag die englische Variante der Jahreszahlen im Deutschen überhaupt nicht! Die Präposition “in” vor einer Jahreszahl ist für mich ein lästiger Anglizismus, der für mich so unnatürlich klingt wie ein Dackel auf einem Surfbrett. Im geschäftlichen Kontext, vor allem in Powerpoint-Präsentationen, wo der Platz begrenzt ist, lasse ich es allerdings durchgehen – das ist für mich die einzige Ausnahme. Das Business-Lektorat hat in vielerlei Hinsicht seine eigenen Regeln. Aber sobald ich es in anderen Texten lese, zücke ich meinen virtuellen Rotstift und streiche es an. Schließlich bin ich ein Kind der Achtziger, einer Zeit, in der “in 1981” eher nach einer Weltraummission als nach einem Geburtsjahr klang.

Fazit: Sprachen sind lebendig und entwickeln sich ständig weiter. Oft sind es die kleinen, unerwarteten Wendungen, die eine Sprache bereichern. “Im Jahr 2020” mag für deutsche Ohren noch ungewohnt klingen, aber genau solche Nuancen machen die lebendige Vielfalt unserer Sprache aus.